Die Scharlatane sterben nicht aus Das flackernde Licht der dickbauchigen Kerze fiel auf die dunklen Wandteppiche des Arbeitsgemachs und schuf sich seltsam bewegende, unheimlich wirkende Gestalten, die von geheimnisvollem Leben erfüllt schienen. Der Raum war nur sehr spärlich eingerichtet. Ein Stehpult zum Schreiben, ein einfacher Tisch und ein unbequemer Sitzschemel schienen dem hier Lebenden zu genügen. Sachlich, zweckmäßig und nüchtern war das alles. Die Flamme der Kerze wurde größer und stach steil empor, bis fast zu Handlänge. Der Lichtschein fiel auf das Gesicht des bisher unbeweglich am Fenster stehenden Mannes im dunkelroten Samtumhang, der in Gedanken versunken schien. Er seufzte tief auf und trat an das Stehpult, auf dem ein großer Foliant aufgeschlagen lag. In einem altertümlichen Tintenglas steckte eine ausgefranste Schreibfeder. Der Mann ergriff die Feder, tauchte sie fest in das Tintenglas ein und schrieb weiter. Dem Umfang der bisher beschriebenen Seiten entsprechend, mußte der Mann sehr fleißig gearbeitet haben. Konzentriert sah er auf seine Worte, die unter der Feder hervorflossen wie Wasser aus einer nimmer versiegenden Quelle. Das Gesicht des Schreibers war das Antlitz eines jungen Mannes. Aber seine Augen straften diese Aussage Lügen: Sie waren uralt und sahen müde drein. Er steckte die Feder in das Tintenfaß zurück und schlug den Folianten zu, nicht ohne sich vorher vergewissert zu haben, daß die Schreibflüssigkeit trocken war. Das Licht der Kerze fiel auf die Vorderseite des in feines Leder gebundenen großformatigen Bandes, der den Titel »Balsamos Buch« trug.
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