Das Verhalten der Leute in dem kleinen belgischen Dorf hätte einen weniger Arglosen als mich warnen müssen. Sobald ich mich nach dem Gasthof erkundigte, schauten sie mich erst erstaunt an, dann mitleidig und schließlich verwundert und nannten andere Adressen, in denen man ebenso billig eine Unterkunft finden konnte. Zwangsläufig landete ich in dem Hotel, das ich suchte, nicht zuletzt, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Der Schankraum schien leer zu sein. Jedenfalls bemerkte ich keinen Menschen. Erst als ich näher trat, erkannte ich eine alte Dame, die sehr gebrechlich und sehr aufrecht hinter einem Glaskasten stand, der die linke Hälfte der zinkbeschlagenen Theke einnahm. Die Vitrine mit bunten Postkarten, Prospekten dieses Teils der Ardennen und allerlei Süßigkeiten, die ihre besten Jahre hinter sich haben mochten, verzerrte das Gesicht der alten Frau unmäßig. Die Tränensäcke wirkten noch größer, die bleigrauen Ringe unter den hohlen Augen beherrschten das Gesicht, das puderbedeckte Antlitz wirkte verfallener als unter besseren Bedingungen. Da war ein Ausdruck in den Augen, der mich erschrecken ließ. Leblos verharrte die Frau, die ich auf mindestens siebzig Jahre schätzte, in ihrem Versteck und musterte mich aus erfahrenen Augen von einem erstaunlich reinen leuchtenden Blau. Überhaupt waren es diese Augen, die in dem erstarrten Gesicht mit schiefen Lippen und faltiger Haut, das wie eine Maske aus Puder und Creme wirkte, eine Spur von Anziehungskraft besaßen. Ich konnte nur hoffen, daß die Betten in diesem Etablissement jünger waren als ihre Besitzerin. Dem Hotel konnte ich nach erstem Augenschein höchstens die Bezeichnung Herberge einräumen. Denn jeder Stein atmete Verfall.
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